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🕑 5:37 Min. | Von Fee-Jasmin Rompza | Zum Produkt

Glücksspiel ist ja so eine Sache. Nicht nur, dass es süchtig machen kann, es bietet auch enormes Frustpotenzial. Da ist es von entscheidendem Vorteil, wenn man zumindest kein Geld, sondern nur die Nerven verlieren kann. Das Suchtpotenzial des Tiroler Roulette ist jedoch auch unabhängig von blinkenden Eurozeichen in den Augen der glücklichen Spielenden unbestritten. Zumindest aus subjektiver Sicht betrachtet. Ich gestehe, dass ich meine Eltern und meine Schwester früher mit meiner Begeisterung dafür, kleine Holzkugeln durch nur minimal größere Öffnungen zu schnipsen, vielleicht das eine oder andere Mal an den Rand der Zumutbarkeit getrieben habe – wollte ich doch phasenweise kaum etwas anderes spielen. Ich kann jedoch freudvoll vermelden, dass dreißig Jahre später alle wohlauf sind und keinerlei bleibende Schäden davongetragen haben. Puh.

Von spitzen Fingern, fliegenden Kugeln und geordneten Zahlen
Der Reiz des Tiroler Roulette liegt jedoch nicht einzig in Fortunas Hand, sondern vor allem auch in jener derjenigen Person, die gerade am Zug oder besser am Kreisel ist. Neben einer guten Prise Glück braucht es nämlich ausreichend Fingerspitzengefühl, um den Kreisel möglichst schwungvoll und gleichmäßig in Bewegung zu versetzen, auf dass er seine kugeligen Opfer mit Schmackes (was, sollte Ihnen diese Redewendung nicht geläufig sein, so viel bedeutet wie „mit Karacho“ oder „mit Wumms“) auf der runden, vertieften Spielfläche gegen die Banden oder, besser, in die punkteversprechenden Tore oder Mulden pfeffert.

Als geoutete Matheliebhaberin vergötterte ich das Tiroler Roulette aber nicht nur aufgrund seiner teils rohen Energie (die mit Effet wegschießenden Kugeln gereichen je nach ausführender Hand der Schusskraft eines Roberto Carlos zu Ehre), sondern vor allem für die Tatsache, dass ich meiner Leidenschaft für die innere Zahlenjonglage ausgiebigst frönen durfte. Natürlich lag die Herrschaft über den Kugelschreiber und das in blaumetallicfarbene Einbandfolie verpackte Rechenheft, in dem wir die Spielstände notierten, traditionell in meiner Hand, was man nicht nur an meiner Handschrift, sondern ebenfalls daran erkennt, dass ich es außer mit Punktzahlen auch noch mit perspektivischen Raumzeichnungen, Disneycharakteren, französischen Vokabeln und den Namen meiner Freund*innen füllte, die ich den Notizen nach ebenfalls mit meiner unstillbaren Leidenschaft für dieses Spiel quälte. Da war es mir offensichtlich auch egal, dass ich nur selten als Siegerin vom Platz ging, und das, obwohl meine mangelnde Fähigkeit zu verlieren als Kind fast ebenso berüchtigt war wie meine Liebe zu Zahlen.

Spielen als Frustschutz. Zumindest langfristig
Sind Sie ein Elternteil, lege ich Ihnen das Tiroler Roulette heute also besonders aus pädagogischer Sicht ans Herz: Nicht nur vermag es, die Fingerfertigkeit Ihrer Sprösslinge zu trainieren, auch deren Kopfrechenkünste können dank dieses Spiels aufs Vortrefflichste geschliffen werden. Und wenn es entweder am einen oder auch am anderen nachhaltig hapert (oder möglicherweise sogar, was keine Schande wäre, an beidem), konditionieren Sie durch wiederholte Exposition zumindest die kindliche Frustrationstoleranz. Was kann man sich mehr wünschen?

Packen Sie es an. Und spüren Sie, wie gut es sich anfühlt
Nun, zugegeben, das Modell des Tiroler Roulette, das in meiner Familie bis heute samt zugehöriger Notizen überdauert hat, ist zwar, seiner Geschichte Rechnung tragend, ebenfalls vollständig aus Holz gefertigt, aber leider „Made in Taiwan“, was in den 1980er Jahren zwar stolz und großflächig auf vielen Produkten prangte, aber auch schon damals synonym für eine günstige Produktionsweise stand – wenn auch nicht zwingend für die sprichwörtlich billige, für die sie im kollektiven Gedächtnis in Erinnerung geblieben ist. Das im Manufactum Sortiment erhältliche Äquivalent der Südtiroler Spielemarke Mespi hingegen ist im besten Sinne als preiswert zu bezeichnen. Denn angesichts seiner europäischen Herkunft und Herstellung aus europäischer Buche und aufgrund der Qualität der Ausführung selbiger ist es seinen Preis mehr als wert, vor allem, wenn man wie ich die handschmeichlerischen Qualitäten guter Holzarbeiten zu schätzen weiß. Die optische Schönheit sauber gearbeiteter, makellos matt lackierter Buche wird nämlich durch ihre haptische Schönheit noch mehr als in den Schatten gestellt. Stellen Sie sich vor, wie Sie sanft über die samtige Oberfläche des Spielfelds streichen, bevor Sie den vollendet gedrechselten Kreisel in Rotation versetzen und er die rote Kugel (doppelte Punktzahl!) passgenau und höchst befriedigend in die Öffnung mit der höchsten Punktzahl zimmert. Da kann mein ostasiatisches Erinnerungsstück tatsächlich nur ideell mithalten.

Es ist doch nur ein Spiel? Mitnichten
All jene unter Ihnen, die keine Elternteile sind oder deren Kinder bereits vorbildlich rechnen, deren Finger schon geschmeidig den größten Herausforderungen trotzen und die einem verlorenen Spiel selbstbewusst ins Gesicht lachen (und die auch selbst diese Meilensteine erfolgreich gemeistert und nichts mehr aufzuholen haben), dürfen an dieser Stelle trotzdem zuschlagen. Und nicht nur, dass es eben sensorisch ein äußerstes Vergnügen ist, eine Partie dieses alpenländischen Roulettes zu bestreiten, so ganz tief in uns drin können wir uns doch alle eines kleinen Glücksspielchens nicht erwehren, oder? Der Reiz der Unvorhersehbarkeit, der Kitzel, das Ergebnis eben nur bedingt in der Hand zu haben und sich trotzdem im Falle eines besonders erfolgreichen Spielzugs ekstatisch zu feiern, als hätte man gerade eines der letzten Millennium-Probleme gelöst, kann in meiner Welt nur durch wenig übertroffen werden. Und, so ganz unter uns, es hält Sie schließlich auch niemand davon ab, die Versuchung durch einen kleinen oder auch größeren monetären Einsatz in noch luftigere Höhen zu heben.

In diesem Sinne: Packen Sie das Glück am Kreiselstiel. Einfacher werden Sie es nicht zu greifen bekommen.

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