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Gutes aus Klöstern
Kartäuser. Das Kreuz steht, während die Welt sich dreht
Einsiedler, die auf der ganzen Welt bekannt sind – ist das nicht ein Widerspruch? Ja und nein, wenn es um die Kartäuser geht. Wer kann sie schon kennen, deren Klöster man nicht besuchen kann, nicht einmal ihre Kirchen? Sie sind Einsiedler, haben sich von der Welt zurückgezogen, pflegen keine Kontakte und lieben die Stille. Nach ihrem Tod wird nicht einmal ein Name ihr Grab zieren, nur ein schlichtes Kreuz aus Holz. Und das ist nur folgerichtig, denn der Wahlspruch des Kartäuserordens lautet: Stat crux, dum volvitur orbis – das Kreuz steht, während die Welt sich dreht.
Während die Welt sich dreht, verbringt der Kartäuser sein Leben in seinem Kloster. Und das ist schon so seit der Gründung des Ordens durch den hl. Bruno von Köln, der im 12. Jahrhundert auf der Suche nach immer mehr Einsamkeit und Innerlichkeit in den französischen Voralpen seinen Ort fand: das Gebirgsmassiv der Chartreuse, von dem der Orden seinen Namen erhielt und wo die große Kartause steht, die Grande Chartreuse, das Mutterkloster.
Einsiedler leben nicht in den Tag hinein, und die Kartäuser schon gar nicht. Jeder Mönch hat ein kleines Haus, als Singlewohnung sicherlich geräumig genug, doch karg ausgestattet. Nichts Überflüssiges hat er darin, dafür ist dieses Haus, die Zelle, sein Mikrokosmos. Denn es gibt auch ein „draußen“ für den Kartäuser, und das ist sein Garten, der zu jedem Haus gehört und von hohen Mauern umgeben ist. Hier findet der Mönch den Zugang zur Natur und Gelegenheit zur körperlichen Arbeit, dem notwendigen Ausgleich in einem Leben voller Gebet, Meditation, Studium, Lesung. Und dann gibt es noch ein drittes Element neben Geist und Natur: das des Schaffens. Es ist eine kleine Werkstatt, die jeder Mönch nach Herzenslust betreiben kann. Sehr beliebt sind Drechseln, Buchbinden, Schmieden. Doch hier muß er nichts herstellen, was verkauft wird, sondern es ist ein Ort, wo er seine Schaffenskraft und Kreativität ins Geistige integriert. Kartäuser sind aber nicht einfach Einsiedler, sie sind eine Einsiedlergemeinschaft und treffen sich zu bestimmten Gelegenheiten.
Vor allem zum Gebet in der Kirche, besonders in der Nacht. Denn Kartäuser sind extreme Frühaufsteher. Bereits um 23.30 Uhr beginnt ihr Tag, und sie widmen ihr Leben lang viele Stunden der Nacht dem Gottesdienst. Aber sie sind keine Extremisten. Das wöchentliche Schweigen wird an jedem Montag unterbrochen, denn da gibt es seit alters her den Spaziergang. Und das ist dann meist eine stramme Wanderung in die Umgebung des Klosters, auf der man sich erholt und miteinander spricht, Neuigkeiten austauscht. Eine notwendige Unterbrechung des strikten Schweigens, wichtig, um dem menschlichen Bedürfnis nach Austausch und Gespräch Rechnung zu tragen.
Voller Freude verweisen die Kartäuser darauf, daß ihr Orden „niemals reformiert werden mußte, weil er niemals deformiert“ wurde. Das mag daran liegen, daß es immer nur wenige Kartäuser gibt (zur Zeit etwa zwei- bis dreihundert weltweit), aber auch daran, daß ihre Organisationsstruktur auf Solidarität gründet. Denn nicht jedes Ordensmitglied fühlt sich zur strengen Einsamkeit in einem Kartäuserhaus berufen. Wer Abgeschiedenheit sucht, aber mehr Aktivität braucht, der findet beides bei den Brüdern. Sie haben ihre eigenen Arbeitsbereiche und sorgen für die Bewirtschaftung des Klosters. Ja, sie ermöglichen den Einsiedlern ihr völlig zweckfreies und unverfügbares Leben, und das hat sich über die Jahrhunderte bewährt. Doch auch sie suchen als Handwerker, Gärtner oder Bauern die Stille des Gebetes. Und wenn eine neue Maschine helfen kann, mehr Zeit für die Stille zu haben, dann wird sie angeschafft. Ja, nur dann, wenn diese gewonnene Zeit nicht für eine andere Aktivität verzweckt wird. Ein interessantes Modell, das diskussionswürdig ist, zumal es auch wirtschaftlich durchaus erfolgreich ist. Weltbekannt sind aber nicht so sehr die Kartäuser, als vielmehr ihr Likör. Doch es lohnt sich, auch über ihre Lebensweise nachzudenken, über ihre Einstellung zu Haben und Sein, denn die ist hochaktuell.
Martin Erdmann
Chartreuse. Der Zufall und seine Erfolgsgeschichte
Daß einer der kleinsten Orden zur größten Klosterlikörbrennerei überhaupt gekommen ist, verdankt sich nicht einer alten Klosterapotheke oder geheimen Forschungen, sondern zunächst einmal: dem Zufall. Ein französischer Marschall schenkte nämlich den Mönchen der Grande Chartreuse im Jahr 1735 das entscheidende Rezept für das berühmte Élixir végétal, die Mutter aller anderen Chartreuseliköre. Undenkbar jedoch, einen so großen Betrieb in der Einsamkeit des Klosters anzusiedeln. Daher befindet sich die Brennerei in Voiron; sie wird von Angestellten betrieben. Doch nach wie vor obliegt die Mischung der Kräuter den beiden Mönchen, die jeweils das Rezept kennen. Sie müssen dazu regelmäßig den Ort aufsuchen, aber steuern inzwischen schon manches vom Kloster aus: mit dem Computer. Ja, der hilft ihnen dabei, die Einsamkeit nicht öfter als nötig unterbrechen zu müssen. Doch von Voiron aus erreicht der Likör der stillen Mönche die ganze Welt!