Bonbons

„Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!“ singt Pippi Langstrumpf, und zu einer Welt, wie sie ihr gefällt, gehören für die rothaarige Nachwuchs-Anarchistin auch Bonbons. Wer könnte es Ihr verübeln? Wenn es um Süßigkeiten geht ... Weiterlesen

Ratgeber

Das Leben ist ein Zuckerschlecken – kunterbunte Bonbon-Vielfalt

„Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt!“ singt Pippi Langstrumpf, und zu einer Welt, wie sie ihr gefällt, gehören für die rothaarige Nachwuchs-Anarchistin auch Bonbons. Wer könnte es Ihr verübeln? Wenn es um Süßigkeiten geht, erwacht schließlich ein kleiner Rebell in den meisten von uns. Klassische Bonbonläden, wie den, aus dem Pippi ihre Schätze gleich kiloweise herausträgt, findet man zwar kaum noch, aber all die bunten Bonbonspezialitäten von früher, die gibt es noch. Man muss nur wissen, wo man sie kaufen kann.

Der Drops ist gelutscht. Die Geschichte des Bonbons.

Ein Bonbonladen, wie der aus Astrid Lindgrens Geschichten, ist bis unter die Decke beladen mit großen Gläsern, prall gefüllt mit bunten, klebrigen Köstlichkeiten aller Farben und Formen. Himbeeren oder Waldmeisterblätter, Brausebonbons, Sahnebonbons oder auch solche mit Lakritze – Bonbons und leuchtende Kinderaugen sind in vielen Köpfen untrennbar verbunden.

Dabei waren Bonbons, zumindest bei uns in Europa, anfangs eher bittere Pillen. Nachdem zu Beginn des siebten Jahrhunderts in Persien entdeckt worden war, dass man aus Zuckerrohr Zucker gewinnen kann, entstand etwa hundert Jahre später, ebenfalls im arabischen Raum, eine Art erste Bonbonmasse aus Zucker und Fruchtsäften: „Fanid Chsai“. Bis Zucker und Bonbons in Europa zum Alltag gehörten, sollte es aber noch dauern. Obgleich schon in der Spätantike vereinzelt belegt, verbreitete sich das weiße Gold hier erst im Mittelalter. Apotheker waren es, die – um bittere Kräuterextrakte genießbarer zu gestalten – als erste eine Art zuckrigen Konfekt herstellten: Bonbons dienten als Medizin. Genau wie Kräuterweine wurden sie nach üppigen Gelagen konsumiert, um die Nachwehen der Völlerei einzudämmen.

Davon abgesehen waren es zunächst vor allem Fürsten- und Königshöfe, die in den Genuss von Süßwaren kamen. Die Geschichte besagt, dass der französische Regent Henri IV. im Jahre 1572 auf seiner Hochzeit „Zuckerplätzchen“ feilbot und die anwesenden Kinder ihrer Begeisterung für dieses Gut gleich doppelt Ausdruck verliehen: „Bon! Bon!“ – treffender könnte ein Name wohl nicht sein.

Mit der Industrialisierung der Zuckerherstellung, deren Grundlagen der Chemiker Franz Carl Achard Anfang des 19. Jahrhunderts schuf, wurde der Zugang zu dem ehemaligen Luxusgut schließlich demokratisiert. Die Herstellung von Bonbons dagegen geschah noch weitere 100 Jahre – bis die ersten Koch-, Knet-, Schneid- und Wickelmaschinen konstruiert wurden – ausschließlich in Manufakturen. Heute hat die industrielle Produktion die Handarbeit so gut wie verdrängt. Der Ausbildungsberuf Bonbonmacher wurde 1980 eingestellt und durch die Fachkraft für Süßwarentechnik ersetzt.

Um die Stange gewickelt. Die Herstellung von Bonbons in Handarbeit.

Trotz allem: Es gibt sie noch, die manuellen Bonbonmacher. Wer einmal gesehen hat, wie ein solcher Zuckerbäcker die Bonbonmasse zunächst in einem großen Topf – am besten aus Kupfer – unter eifrigem Rühren kocht, sie dann zum Abkühlen auf eine Marmorplatte gießt und anschließend zu einem Strang knetet, diesen in der Folge mit schnellen Bewegungen über eine Stange an der Wand schlingt und immer wieder in die Länge zieht, wer den Duft frischer Zutaten in einer Bonbonmanufaktur gerochen und die zähe, warme Oberfläche der Zuckermasse hat glänzen sehen, der wird sich nur schwerlich wieder auf ein industriell hergestelltes Bonbon einlassen wollen.
Wo traditionelle Herstellungsverfahren auch heute noch zum Einsatz kommen, werden sie von Generation zu Generation weitergereicht. So auch bei unseren Manufactum Herstellern: Kramer's Spezialitäten im niedersächsischen Weyhe, Leone im italienischen Collegno, Les Anis des Flavigny im französischen Burgund, die provenzalische Benediktinerinnenabtei Le Barroux oder der Familienbetrieb Rudi Jahnke Süßwaren, der für die Produktion der Caruso Hustenpastillen verantwortlich zeichnet und im schleswig-holsteinischen Kaltenkirchen ansässig ist. Dort entstehen Bonbons aus natürlichen Zutaten, die man riecht und schmeckt. Pippi hätte sie mit Sicherheit pfundweise geordert.

Bekömmlich und wohltuend. Bonbons können mehr.

Seien wir ehrlich: Vordringlich befriedigen Bonbons unsere süßen Gelüste. Für all jene, die solch niederen Begehrlichkeiten durch Enthaltsamkeit zu begegnen versuchen, hilft es daher vielleicht zu wissen, dass unsere Süßwaren zumindest zum Teil auch höheren Zwecken dienen.

Nehmen wir die Leone Kräuterbonbons: Durch die Verwendung ätherischer Öle und Kräuteressenzen sind sie – ähnlich dem historisch verbürgten Apothekerkonfekt – wie ein Digestif zum Lutschen zu genießen. Doch nicht nur diese Eigenschaft teilen sie mit ihren Vorbildern, genau wie damals sind auch diese Bonbons im Spektrum von herb bis bitter zu verorten. Pippi und ihre Kinderschar würden daher wohl einen Bogen um dieses Produkt machen. Erwachsene hingegen wissen den kräftig-würzigen Geschmack zu schätzen.

Die Caruso Pastillen tragen ihre Absichten bereits auf der Zunge: „Hustenbonbons stark“ beschreiben sie sich selbst und befreien den erkältungsgeplagten Konsumenten dank einer Rezeptur von 1877 aus Lakritze, ätherischen Ölen und Arzneipflanzenextrakten zwar nicht von seinem Leiden, retteten aber immerhin dem namengebenden Opernsänger einst einen Auftritt in Hamburg. Auch heute greifen Musiker und Schauspieler wieder gerne zu dem bewährten Fabrikat.

Schließlich: Unsere Pfefferminzpastillen. Wahlweise von Leone oder vom englischen Bonbonhersteller Peppersmith. Minze ist allgemein nicht nur für seine verdauungsfördernden, sondern auch für seine entzündungshemmenden, schmerzstillenden, krampflösenden und magenberuhigenden Talente bekannt. Ein wahrer Generalist. Und mit Pfefferminz macht man auch bei Pippi nichts falsch. Immerhin lautet ihr voller Name Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf. Ihr Vater wird sich etwas dabei gedacht haben.