Rasur

Die Rasur als notwendiges Übel zu betrachten, ist kein schöner Zug. Zwar lässt sich diese Denkweise historisch leicht nachvollziehen, denn viele Jahrhunderte lang war die Rasur alles andere als ein Vergnügen, jedoch hat diese Geschichte mittlerweile ... Weiterlesen

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Ratgeber

Zug um Zug. Die Rasur gestern und heute.

Die Rasur als notwendiges Übel zu betrachten, ist kein schöner Zug. Zwar lässt sich diese Denkweise historisch leicht nachvollziehen, denn viele Jahrhunderte lang war die Rasur alles andere als ein Vergnügen, jedoch hat diese Geschichte mittlerweile einen langen Bart. Wer sich heute mit dem Thema auseinandersetzt und die für ihn passende Methode sowie die richtigen Pflegemittel gefunden hat, für den kann sich die Rasur als wohltuendes Ritual gestalten. Denn auch wenn sie sich äußerlich kaum verändert haben: Heutige Rasiermesser sind mit ihren Vorläufern kaum vergleichbar. Die klassische Nassrasur und die Verwendung ihrer vermeintlich urtümlichen Instrumente (wozu auch der Rasierhobel zählt) sind daher mitnichten ein Schritt zurück. Es ist vielmehr ein Schritt nach vorn – hin zu mehr Kontrolle über das Rasurergebnis.

Der Bart ist ab. Die frühesten Belege für eine Rasur.

Die Herausforderung ist seit jeher die gleiche: Soll der Bart ab, entweder in Teilen oder im Ganzen, ist ein scharfes Werkzeug gefragt. Welche Mittel dafür zur Verfügung standen und welchen Komfort sie für die Rasur bedeuteten, unterlag über die Jahrtausende jedoch starken Schwankungen – ja nachdem, wo man sich befand und welcher sozialen Schicht man angehörte.

Wann genau der Mann begann, sich seines Barthaars zu entledigen, lässt sich nur vermuten. Doch bereits um 10.000 vor Christus fand man ihn auf Höhlenzeichnungen mit kurzem Bart oder gar glattrasierten Wangen vor. Zumindest so glattrasiert, wie es die damaligen Gerätschaften zuließen. Erste greifbare Funde belegen die Existenz von Rasierschabern aus Stein ab dem 6. Jahrhundert vor Christus. Jedoch ist davon auszugehen, dass selbst die schärfsten unter ihnen, aus Vulkangesteinen wie Obsidian oder Flint, das auch als Feuerstein bekannt ist, die Bartstoppeln eher unsanft von den Wangen schmirgelten. Auch andere rudimentäre Instrumente wie Muschelschalen und Haifischzähne werden kaum schonender zur Gesichtshaut gewesen sein.

Der goldene Schnitt. Die Rasur im Altertum und in der Antike.

Blickt man auf die Hochkulturen des Altertums, zeigten sich die Ägypter als frühe Verfechter einer vollständigen Rasur – Bärte galten ihnen als Zeichen einer unsauberen und nachlässigen Lebensweise. Wer es sich leisten konnte, beschäftigte einen Bartscherer, aber auch die Selbstrasur war weitverbreitet. Wohlhabendere Ägypter rasierten sich zunächst mit Messern aus Kupfer oder Gold, bis sich ab der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus die härtere und damit schärfere Bronze als Material der Wahl durchsetzte. Weniger Begüterte hingegen griffen weiterhin zu Schabern aus Feuerstein und anderen primitiven Methoden wie der Haarentfernung durch Scheuern mit Bimssteinen.

In der europäischen Antike setzte sich die Rasur erst mit Alexander dem Großen im 4. Jahrhundert vor Christus durch. Die Überlieferung besagt, dass er seinen Soldaten befahl, sich zu rasieren, um dem Feind im Krieg keine Angriffsfläche zu bieten, was wiederum eine Periode der Bartlosigkeit in der griechisch-römischen Welt in Gang gesetzt haben soll. Wenig später schon galt die Rasur als Distinktionsmerkmal, um sich von „bärtigen Barbaren“ abzugrenzen.

Nachahmenswert. Der Weg des Bartes von oben nach unten.

Schon im Altertum und in der Antike zeigte sich exemplarisch, wie es sich in den folgenden Jahrhunderten und Jahrtausenden rund um die Bärte verhielt: Wie man das Barthaar trug und ob man es trug, hing wesentlich davon ab, was gekrönte oder anderweitig führende Häupter dem Volke vorlebten oder vorgaben. Der eine war glattrasiert, der Nächste trug Vollbart, ein anderer einen Schnäuzer und ein Vierter lediglich kleine Bartbüschel um das Kinn. Und das Volk schloss sich seinem Herrscher an – mal mehr und mal weniger freiwillig, wie im Fall des russischen Zaren Peter, der nach einer langen Tradition des Barttragens eine Zwangsabgabe auf Gesichtsbehaarung erhob. Mehrheitlich jedoch waren es modische Gründe, die in der Bevölkerung zur freiwilligen Nachahmung führten.

Keine Schaumschläger. Das Barbierhandwerk.

Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts, einer Zeit, in der sich die meisten nordeuropäischen Männer rasierten, begannen sich die Barbiere gemeinsam mit den Badern in Zünften zu organisieren. Badeknechte oder -gesellen übernahmen in den öffentlichen Badestuben das „Scheren“ – eine Verrichtung, die zwar nachgefragt wurde, zugleich jedoch immer noch den Ruf hatte, „Kummer, Arbeit und Schmerzen“ zu verursachen. Rasierseife war noch nicht bekannt und so hatte auch der mittelalterliche Bartträger nur die Wahl zwischen „trucken scheren“, was dem früheren Schaben ähnlich gewesen sein dürfte, und „putzen auf nassen Bänken“, einer Variante, bei der Barthaar und Haut durch Wasser und Dampf immerhin etwas aufgeweicht wurden. Allzu gerne und häufig setzte man sich dieser Behandlung jedoch nicht aus und selbst in der Oberschicht galt man daher noch mit deutlich sichtbaren Stoppeln als rasiert.

Angenehmer wurde die Prozedur erst mit Aufkommen des Seifenschaums im 16. Jahrhundert und der Verbesserung der Rasiermesserqualität im 18. und 19. Jahrhundert. Die Klingen wurden nun aus Gussstahl gefertigt und mit dem Hohlschliff zur Schneide hin deutlich ausgedünnt, was sie schärfer und damit auch sanfter zur Haut machte.

Eine haarige Angelegenheit. Der Bart als Ausweis politischer Gesinnung.

Im 19. Jahrhundert wurde es üblich, mit gewissen Bartmoden politische Haltungen zu demonstrieren. So trugen viele der Teilnehmer des Wartburgfests 1817 einen Vollbart oder Schnauzbart und auch die Anhänger der Julirevolution von 1830 zeigten sich zunehmend mit sichtbarer Barttracht, was zur Folge hatte, dass das Tragen eines Bartes in vielen Regionen streng reglementiert wurde. Nach der Revolution von 1848 jedoch wendete sich das Blatt. Der Bart, der lange als Erkennungszeichen demokratischer Gesinnung gegolten hatte, setzte sich in immer breiteren Kreisen durch und auch konservative Milieus begannen sich seiner zu bedienen. Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Wilhelm II. brachten es gar zuwege, ihre jeweilige Bartfrisur als Symbol der Kaisertreue zu etablieren.

Auch zu dieser Zeit war es in Deutschland (im Gegensatz zum benachbarten Frankreich beispielsweise) noch weithin verbreitet, sich für die Rasur zum Barbier zu begeben. Der Wunsch nach einer komfortablen Alternative wurde angesichts der mangelnden Hygiene in den Rasierstuben und schlecht gepflegten und dadurch unscharfen Geräts jedoch immer größer. Nachdem sich die Instrumente jahrtausendelang kaum weiterentwickelt hatten, ging es nun fast Schlag auf Schlag. Zunächst kam der Sicherheitskamm auf, der die Haut bei der Selbstrasur mit dem Messer besser schützen sollte. Und als in England um 1870 der erste Rasierhobel mit festem Handgriff auf den Markt kam, begab sich die Klinge dauerhaft in die Waagerechte, was dazu führte, dass der richtige Winkel für die Rasur leichter eingehalten werden konnte.

Hauptsache, bequem. Neue Rasurmethoden des letzten Jahrhunderts.

Um die Wende zum 20. Jahrhundert trat schließlich ein Mann auf den Plan, dessen Name in der Welt der Rasur bis heute überdauert: Der amerikanische Handelsreisende, Amateur-Erfinder und Autor sozialutopischer Bücher King Camp Gillette erfand das Prinzip der Wegwerf-Rasierklinge mit zwei Schneiden, die zudem gewölbt in den Rasierhobel eingespannt werden konnte. Zwar legte parallel ein deutscher Schleifergeselle namens Grohmann eine vergleichbare Erfindung vor, der Name Gillette jedoch vermochte sich langfristig in den Köpfen festzusetzen. Die neuen Klingen mussten nicht mehr nachgeschärft werden, sondern wurden nach einigen Rasuren einfach gegen ein neues Exemplar ausgetauscht. Der Antrieb Gillettes war allerdings weniger dem Wohle des bärtigen Mannes gewidmet, als man glauben könnte. Vielmehr versprach er sich durch den regelmäßigen Verschleiß einen stetigen Absatz – ein Plan, der vollends aufging. In den folgenden Jahren stiegen nicht nur die Verkaufszahlen in immer höhere Sphären, auch die Rasurgewohnheiten passten sich den neuen Gegebenheiten an. Von nun an wurde es zunehmend wieder üblich, sich glattzurasieren.

Und damit war erst der Grundstein gelegt für eine immer mehr an Fahrt aufnehmende Entwicklung im Bereich der Rasiertechnik. Reagierte man früher höchstens auf die Bedürfnisse der Männer, schuf man nun neue: Aufkommende Elektrorasierer ermöglichten die Trockenrasur und befeuerten, zumindest in Deutschland, spätestens ab den 1950ern den Wunsch, sich jederzeit rasieren zu können, schnell, an jedem Ort und ohne das Risiko, sich dabei zu verletzen. Die Branche der Nassrasur sah sich in der Pflicht zu reagieren, um den Anschluss nicht zu verlieren. Der Komfortaspekt war das vorrangige Verkaufsargument und so kam 1970 der Erste von mittlerweile zahllosen Systemrasierern auf den Markt: mit in Kunststoff gegossenen Klingen, die sich mühelos im Ganzen wechseln ließen.

Heute steht der Kunde vor einem fast unüberschaubaren Angebot an Geräten, die mit immer neuen Details aus der Masse hervorzustechen versuchen. Die Bartmode ist mehr denn je ein Zeichen individuellen Ausdrucks und die Möglichkeiten zur Umsetzung sind größer als jemals zuvor. Umso wichtiger ist es daher geworden, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, welche Ansprüche man an seine Rasur stellt.

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